Wald steht Steinbruch im Weg
Naturschutz oder Arbeitsplätze - darum geht es auf Haßley. Der Steinbruchbetreiber Rheinkalk plant eine Erweiterung der Abgrabungsfläche um 22 Hektar. Teilweise auf Flächen, auf denen heute ein über Jahrtausende gewachsener Kalkbuchenwald steht, der zu Hagens wertvollsten Natuschutzgebieten zählt.
Es ist Donnerstagabend, 18 Uhr. Eine leichte Brise weht durch die Kronen der mächtigen Buchen auf Haßley. Zwischen der Ortslage, der Hohenlimburger Straße und dem Steinbruchrand ist Brutzeit. Allerlei Getier sucht Schutz zwischen den Bäumen, als gut zwei Dutzend Menschen das Naturschutzgebiet unter die Wanderschuhe nehmen. Eingeladen hat Jörg Meier, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Emst. An seiner Seite wandern Steinbruch-Verantwortliche, Umweltschützer und Anwohner.
Jede Gruppe hat unterschiedliche Ansprüche an die Fläche, die so groß ist wie knapp 40 Fußballfelder. Die Anwohner lieben ihren Wald vor der Haustür wegen des Erholungswertes. Außerdem würden die Bäume eine natürliche Schallbarriere zum Steinbruch darstellen.

Eine zauberhafte Naturlandschaft ist in Gefahr.
Rheinkalk plant eine Erweiterung der Abgrabung.
Fotos: Torsten Berninghaus
Rheinkalk, also ehemals Dolomitwerke, denkt unmittelbar an Erweiterung der Abgrabungsfläche. Und an 250 Arbeitsplätze am Standort Hagen. "Diese Arbeitsplätze und weitere 150 bei Subunternehmern müssen auf jeden Fall erhalten bleiben. Wir müssen uns für einen möglichst großen Einklang mit der Natur einsetzen", meint Dolomit-Betriebsrat Peter Arnusch.
Seit Jahrzehnten wird zwischen Halden und Hassley Dolomit abgebaut. Die feuerfesten Steine sind unter anderem für die Stahlindustrie unverzichtbar. Rheinkalk hat bereits große Teile der Flächen gekauft ("Wir hätten gern noch mehr erworben") und wird Ende Mai den Genehmigungsantrag stellen. Zum Ausgleich für den Eingriff in die Landschaft soll im nahen Letmathe (Am Ahm) aufgeforstet werden. "Außerdem soll die Stadt Hagen ein Ersatzgeld bekommen", sagt Rheinkalk-Ingenieur Uwe Stichling. Über die Höhe schweigt sich der Bergbauer aus. Bestätigen will Stichling auch nicht, dass es um einen siebenstelligen Betrag gehen soll.
Die dritte Gruppe sind die Umweltschützer. "Ich bin sehr traurig, wir werden kämpfen", sagt Grünen-Sprecherin Hildegund Kingreen. Ralf Blauscheck (BUND) führt aus, dass solche Kalkbuchenwälder ein äußerst fragieles und über Jahrtausende gewachsenes Gefüge sind. Die Pflanzengesellschaft auf Kalk-Untergrund, meint Blauscheck, sind charakteristisch für die hiesigen Breiten und von Menschenhand kaum rekonstruierbar. Unter den mächtigen Buchen nämlich erstreckt sich ein Teppich aus Kräutern, Primeln, Orchideen, Waldmeister und Maiglöckchen.
Wie wertvoll dieses Ökosystem ist, wissen alle Beteiligten. Deshalb wurde der Bereich auch als eines der wertvollsten Hagener Naturschutzgebiete (ein FFH-Gebiet) nach Brüssel gemelde, wo man Schutzgebiete höchster Güteklassen derzeit kartiert, um sie zu erhalten.
Dass der fragliche Bereich gar nicht nach Brüssel hätte gemeldet werden dürfen, meint derweil Rheinkalk-Mitarbeiter Uwe Stichling. Er kann erkäutern, dass die fraglichen 22 Hektar bereits seit Jahrzehnten als optionales Abgrabungsgebiet im Gebietsentwicklungsplan aufgenommen sind.
Folglich hofft der Dolomit-Nachfolger, dass die Bezirksregierung den Abgrabeantrag positiv bescheiden wird. "Dann hätten wir eine sichere Auslastung bis 2030." Bis dahin würden dann 2,5 Millionen Tonnen Dolomitgestein das Werk verlassen. Schließlich will man tief graben. Sehr tief. Immerhin mehr als 60 Meter unter Lenne-Niveau. "Natürich wird das den Lauf der Lenne nicht beeinflussen", verspricht Stichling. Jens Kumbruch vom Arbeitskreis Kluterthöhle ist skeptisch: "Auf jeden Fall wird der Barmer Teich am Fuß des Weißensteins trocken fallen."
Umweltschutz oder Arbeitsplätze? Ein Kompromiss scheint sich nicht abzuzeichnen. Vielmehr werden die beiden konkurrierenden Verfahren (in Arnsberg und Brüssel) über die Grenzen Hagens hinaus Beachtung finden.
Westfalenpost, 01.05.2004
Torsten Berninghaus |