Kein Spaziergang
Vorweg gesagt, ich weiß heute nicht, was richtig ist.
Die Arbeitsplätze bei Rheinkalk für weitere 25 Jahre sichern, oder den einzigartigen Kalkbuchenwald mit seiner besonders seltenen Flora schützen?
252 Arbeitsplätze in Hagen - wenn nicht alle, so leben doch die meisten Beschäftigten in unserer Region. Und über den Steinbruchrand hinweg betrachtet hängen am Abbau und der Weiterverarbeitung des seltenen Dolomits noch rund 750 weitere Beschäftigungsverhältnisse.
Ich weiß eben nicht genau, wie viele Menschen von einer möglichen Schließung des "Dolo" betroffen wären, aber zählen wir die Familien mit, sind es vielleicht ähnlich viele, wie es Einwendungen gegen die Ausweitung des Abbaugebietes gibt.
Unentschieden? Nein, das wird es hier nicht geben, obwohl die Interessen hier wie dort berechtigt sind.
Seit 1909 wird im Steinbruch zwischen Herbeck und Haßley abgebaut. Eine bald hundertjährige Tradition, erinnert ein bisschen an Kohlebergbau im Revier. Auch hier bei uns gibt es Familien, die seit Generationen mit "Dolo" ihr Brot verdienen. Kommt die Erweiterung nicht, wird am Standort nicht mehr investiert - von rund 250 Mio. E sprach Rheinkalk-Betriebsleiter Thomas Sieben einmal. Kommt sie doch, ist die Tradition dennoch endlich. Denn eine Arbeitsplatzgarantie gibt es nicht auf Dauer. Wir erinnern uns, dass im Sommer letzten Jahres über einen Verkauf des Sinterofenbetriebes und der Fabrik für feuerfeste Steine nachgedacht wurde. Die belgische Lhoist-Gruppe, deren hundertprozentige Tochter Rheinkalk ist, denkt global. Deshalb ist es natürlich für das Unternehmen auch nicht von Bedeutung, wo ein Ausgleich für einen gerodeteten Kalkbuchenwald stattfände. Sieben und Rheinkalk - das muss anerkannt werden - kämpfen in Hagen mit ziemlich offenen Karten. Auf zahlreichen Infoveranstaltungen und nicht zuletzt in beinah 50 Aktenordnern haben sie ihre Absichten offen gelegt.
Mindestens die 2500 Bürger, die ihre Einwendungen fristgerecht abgeschickt haben, hat es nicht von der Richtigkeit überzeugt. Darunter Bürger, die sich kaum "Ökos" nennen ließen.
Hunderte Schülerinnen und Schüler, aktiviert von einem, der seinen Mut zusammen nahm, haben sich innerhalb weniger Tage überzeugen lassen, sich für die Rettung des "grünen Paradieses" mit ihrer Unterschrift stark gemacht.
Warum? Darüber nachzudenken bietet sich ein Spaziergang durch den Kalkbuchenwald bis zum Steinbruch zwingend an - wie ihn die Hildegund Kingreen am Donnerstag ihren Ratskollegen empfahl - gerade, weil die endgültige Entscheidung im Stadtrat kein leichter Schritt sein wird.
Eines weiß ich wohl: Die ehrliche Überzeugung darf nicht für den Weg des geringeren Widerstandes auf der Strecke bleiben. So oder so.
Von Jens Helmecke
Westfälische Rundschau, 18.11.2005 |