Dunkle HGW Zukunft

Von Reinhard Kolwe Hagen. (WP) Je mehr Offerten zum Erwerb der stadteigenen Wohnungsgesellschaft eingehen, umso größer wird die Unruhe unter den HGW-Mietern. Möglicherweise noch vor Weihnachten will die Ratsmehrheit von CDU und FDP darüber entscheiden, mit welchem Bieter konkrete Verkaufsverhandlungen geführt werden sollen.

Obwohl Fachleute den Wert der Hagener Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft mit ihren rund 1000 Häusern und 6000 Wohnungen auf gut 400 Millionen Mark schätzen, dürften nach ernsthaften Berechnungen kaum 100 Millionen Mark für die Stadtkasse übrig bleiben. Denn von den gut 300 Millionen Mark, die bisher geboten wurden, sind die Verbindlichkeiten der HGW in Höhe von ca. 120 Millionen Mark abzuziehen. Ferner die GIV-Verpflichtungen von 80 Millionen Mark, die von der HGW direkt auf den Haushalt der Stadt übergehen würden. Und der Fiskus möchte an dem Deal auch noch verdienen.

Kritiker fürchten nun, dass sich die Stadt mit dem Verkauf der HGW nicht nur von einer ihrer letzten gewinnbringenden Beteiligungen trennen, sondern auch ein wohnungspolitisches Gestaltungsmittel aus der Hand geben würde. Beispiel: Die begonnene Aufwertung des Quartiers am Loxbaum. Mit erheblichem Aufwand hat die HGW damit begonnen, Häuser mit sogenannten Schlichtwohnungen zu entkernen und von Grund auf zu sanieren. Am Heckenweg beispielsweise wurden aus vormals 18 wenig ansprechenden Unterkünften inzwischen neun komfortable Mietwohnungen. Seither stimmt die soziale Mischung der Mieterschaft. In der Bauern- und Seilerstraße sollten im kommenden Jahr weitere Unterkünfte aufgewertet werden. Dazu dürfte es bei einem Verkauf der HGW wohl kaum noch kommen. Ebenso in Frage gestellt wäre die weitere Sanierung der denkmalgeschützten Cuno-Siedlung auf dem Kuhlerkamp, die die Stadt vor Jahren an die HGW veräußerte und in die das Unternehmen seither etliche Millionen Mark investierte.

Sozialpolitisch von Bedeutung ist die HGW aber längst nicht nur für den Mietwohnungsbereich. Sie verfügt im gesamten Stadtgebiet auch über nicht unerhebliche Reserveflächen, die für die Schaffung von Wohneigentum genutzt werden können. Auf Freiflächen in der alten Tondernsiedlung beispielsweise hat die Immobilien-Tochter der HGW für Hagener Verhältnisse durchaus günstige Einfamilienhäuser realisiert. So sparten die Erwerber durch weitgehende Vorfinanzierung durch das Unternehmen sehr viel Geld, erwarben ausgesprochen solide und komplette Objekte von einem verlässlichen Partner.

In der Tondernsiedlung entstanden insgesamt 13 neue Häuser, für weitere könnten im Viertel durchaus noch Flächen mobilisiert werden. Auch auf einem 5000 qm großen Areal auf dem Quambusch wollte die HGW ein Eigentumsprojekt realisieren, musste dieses Vorhaben aber einstampfen, nachdem die Politiker öffentlich über den HGW-Verkauf zu spekulieren begannen. Interessenten waren deshalb abgesprungen.

Dabei könnte die HGW durchaus die Antwort geben auf die seit Jahren immer wieder erhobene Forderung nach Bereitstellung von Flächen für die Schaffung von Wohneigentum breiter Bevölkerungsschichten. Und zwar verfügt das Unternehmen allein im Bereich Emst über 80 000 qm Fläche. Seit 30 Jahren (!) diskutieren die Politiker über einen entsprechenden Bebauungsplan Emst IV, wollten hier schon mal über 4000 Menschen unterbringen. Und schwärmen noch immer von einer Karl-Ernst-Osthaus-Siedlung am Köhlerweg mit massivem Geschosswohnungsbau und entsprechender verkehrlicher Erschließung.

Diese Schwärmerei freilich teilen Kaufwillige schon lange nicht mehr. Sie würden lieber Häuschen erwerben. Doch bislang haben die Politiker nicht die Kurve bekommen, hier einen Bebauungsplan für 100 bis 150 Eigenheime aufzustellen. Dabei entfiele bei einem solchen Vorhaben die aufwendige verkehrs- und kanalmäßige Erschließung, die bei Geschosswohnungsbau erforderlich wäre und Preise in die Höhe treibt.

Bei einem Verkauf der HGW gingen auch diese Flächen in anderen Besitz über, würden also bestenfalls von einem Bauträger erschlossen, der mit deutlich höherer Gewinnmarge kalkulieren muss als die HGW-Tochter.

Westfalenpost Mittwoch, den 05.12.2001