Hagen gerät in eine soziale Schieflage

Hagen. (ko) Den Organisationen, die in Hagen auf dem sozialen Sektor aktiv sind, will die Stadt - wie berichtet - die Zuschüsse um nahezu 300 000 Euro kürzen. "Wenn das in dieser Form umgesetzt wird, ist die Schließung von Einrichtungen unvermeidlich", stellte gestern AWo-Geschäftsführer Hubert Puder klar, dessen Organisation allein die Hälfte der geplanten Kürzungen wegstecken soll.

Betroffen wäre beispielsweise die Schwangerschaftsberatung in Helfe, die jährlich von etwa 1500 ratsuchenden Frauen in Anspruch genommen wird. Oder die Beratungsstelle für ess- und magersüchtige Mädchen und Frauen, die die AWo als einzige Organisation in der Region anbietet. Von der Stadt sei der Hinweis gekommen, berichtet Puder, die Krankenkassen könnten hier ersatzweise finanziell einspringen. "Die Kassen kommen aber erst mit ins Geschäft, wenn es zu spät ist, also aus der Suchtgefahr längst eine Krankheit geworden ist", weiß der Geschäftsführer. Und dann werde es richtig teuer. "Vorbeugende Hilfe ist in jedem Fall viel preiswerter als die spätere Therapie", mahnt AWo-Vorstandsvorsitzender Erich Mürmann die Politik.

Allenfalls bei der Wohnraumsicherstellung für Obdachlose, um die sich die AWo in Abstimmung mit der Stadt bemüht, sieht Hubert Puder ein gewisses Einsparpotenzial durch die Umschichtung von Dienstleistungen. Was die Stadt aber an Überweisungen an die AWo spare, müsse sie andererseits in die eigene Aufgabenwahrnehmung stecken.

Nachdrücklich warnt Puder, und hier sieht er sich als Sprecher aller Wohlfahrtsverbände in Hagen, davor, soziale Einrichtungen ausschließlich aus dem merkantilen Blickwinkel zu betrachten. "Es geht immer um Menschen und Schicksale. Wir können es uns einfach nicht leisten, dass eine Großstadt in eine soziale Schieflage gerät," hebt der AWo-Geschäftsführer hervor. "Und wir alle wissen, was jetzt zerschlagen wird, ist für immer weg." Puder erinnert zudem daran, dass die Wohlfahrtsverbände schon seit Jahren personell und finanziell am Limit operierten: "Mehr geht nicht."

Für Hubert Puder steht auch fest, dass die Schließung von Einrichtungen unweigerlich die Arbeitslosigkeit von Mitarbeitern nach sich ziehen werde. Eine Umsetzung innerhalb des Verbandes sei ausgeschlossen.

Unterdessen hat Sozialdezernent Christian Schmidt die erste Streichliste, die in der Vorwoche dem Sozialausschuss vorlag, zurückgezogen. "Gegenwärtig wird von der Verwaltung eine neue Liste erarbeitet, die den Ratsfraktionen am kommenden Montag für ihre Beratungen vorliegen wird", kündigt Schmidt gegenüber der WP an. Die neuen Kürzungsvorschläge seien moderater: "Wir verschließen uns überzeugenden Argumenten durchaus nicht."

Westfalenpost, 25.06.2004